Ülkü Süngün

Institut für Künstlerische Postmigrationsforschung

Seit 2008 zirkulieren meine künstlerischen Recherchen und ihre Dokumentationen, begleitenden theoretischen Reflexionen und Visualisierungen und schließlich die damit verbundenen künstlerischen Produktionen um das weit gefasste Themenfeld der Migration, insbesondere um das Migrieren, Erinnern und das Ankommen.

Mit dieser anderen Wissensproduktion, die keiner institutionellen Logik oder politischen Interessen gehorcht, ist auch ein anderes Wissen verbunden. Dieses verbleibt jedoch oft isoliert in elitären und abgegrenzten Kreisen der Kunst- und Kulturinstitutionen. 

Wenn ich auf institutioneller Ebene gesellschaftskritisch und kulturpolitisch Position beziehend arbeiten möchte, muss ich selber zu einer Institution werden, mich lokal einmischen und involvieren.

Eine Institution, die so agiert, dass die formulierte Kritik schon mit ihr einsetzt und nicht erst nachträglich eingefordert wird, muss selber auch eine andere Institution sein: eine Quasi-Institution, die mehr Kunstprojekt ist und mit künstlerischen Praktiken arbeitet und andere (also künstlerische) Positionen und Produktionen artikuliert und ihre Sichtbarkeit und autonomen Handlungsräume beansprucht. Sie soll transparent sein und partizipativ arbeiten, daher müssen Privilegien- und Profitverteilungen der Projekte offen verhandelbar sein und Ziele und Positionen solidarisierend formuliert werden. Es geht aber auch um die  Sichtbarmachung migrantischer, politischer Räume, die sich über künstlerische Projekte (geschützter) artikulieren.

Um in beide Richtungen arbeiten zu können, werden Akteure unterschiedlichster Disziplinen des Migrationsdiskurses mit in Form von temporären Projektkollektiven zusammen kommen: SozialarbeiterInnen, Geflüchtete, Migrierte, KünstlerInnen, Stuttgarter Institutionsmitarbeiter, Bürger. Das IKMF bietet hierfür einen Rahmen und eine Plattform.

In der Startphase ist das IKMF, das als gemeinnütziger Verein organisiert ist, eigenständig und nomadisch, ohne eigene permanente Studios. Das Institut funktioniert über temporäre Allianzen, Kooperationen und Partizipation mit unterschiedlichen Institutionen oder Akteuren, auf die das IKMF zugeht und es agiert an unterschiedlichen Orten die es aufsucht. Eigene Räume sind aber langfristiges Ziel.

Die angedachte Struktur sieht neben der Verwaltung mit Vorstand und Geschäftsführung einen künstlerischen Beirat vor. Das IKMF weist verschiedene erweiterbare Abteilungen und Büros vor: Abteilung für Feministische Angelegenheiten, ein Archiv der verlorenen Dinge und Orte, ein Büro in der Migration, Büro für Promenadologie sowie propagandistische Organe und Mitteilungen.

Für das Institut eingeworbene Mittel werden verwendet, um Zugänge für bisher ausgeschlossene Gesellschaftsgruppen zu ermöglichen. Dadurch sollen verstreute Expertisen und experimentelle Praktiken sichtbar gemacht werden, um diese untereinander im Stadtraum von Stuttgart zu vernetzen. Aufmerksamkeitsökonomien können so umgelenkt und Orte und Praktiken ins Visier der Öffentlichkeit gelangen, die außerhalb des Kunstkontextes stehen.

Schwerpunkt liegt auf einer prozessorientierten und langfristigen Arbeitsweise im Bereich Migration und Flucht, ohne das Ziel der Herstellung eines Produktes. Ein dokumentarisches und heterogenes Archiv erlaubt gleichzeitig eine andere Gegenwartsgeschichte zu schreiben.